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Erste Hilfe: Überblick verschaffen
12. Mrz 2024 - 4 min Lesezeit

Notfall Alpin (1/9): die ersten 5 Minuten

Der Beginn unserer Ersten-Hilfe-Serie von Philipp Dahlmann beschäftigt sich mit den ersten 5 Minuten bei der Versorgung von Verletzten. Gelingt uns ein guter, strukturierter Einstieg, ist es unerheblich, ob es sich um eine Bagatellverletzung oder eben einen wirklichen alpinen Notfall handelt. Hat man einmal diese erste entscheidende Phase gut absolviert, ist alles Weitere wesentlich leichter und ergibt sich beinahe von selbst.

alle Artikel der Serie: Notfall Alpin

Egal ob beim Wandern oder Klettern. Es kann uns passieren, dass wir eine Person auffinden – evtl. im abschüssigen Gelände liegend – ohne zu wissen was genau geschehen ist. Im Folgenden das Vorgehen, wie ein solches Szenario abgearbeitet werden kann:

1. Ausgangslage: Ersthelfer nähert sich der Verunfallten Person

Ersthelfer bei alpinem Unfall, was tun?
Abb. 1: Eine Person liegt reglos auf einem Steig und ich komme als Ersthelfer von unten zum Unfallort.

2. Überblick verschaffen

Erste Hilfe: Überblick verschaffen
Abb. 2: Ich komme näher und verschaffe mir schon im Hingehen einen Überblick über die Situation. Grundsatz: 10 Seconds for 10 Minutes, d.h. ich investiere etwas Zeit, um mich mit der Situation vertraut zu machen, um dann die richtigen Maßnahmen zu setzen:
 Ist die Umgebung sicher oder drohen noch Gefahren?
 Was kann passiert sein? Ist sie auf dem Steig gestolpert und ein paar Meter abgestürzt.
 Kommt noch etwas von oben, liegen lose Steine oberhalb? Nein, keine weiteren Gefahren. Da keine weitere Gefahr droht, kann ich hingehen ohne mich oder sie zu gefährden.

3. Hingehen, Ansprechen, Notruf.

Erste Hilfe: auffinden einer verletzten Person: Hingehen, Ansprechen, Notruf.
Abb. 3: Am Weg zur gestürzten Person spreche ich sie schon an: „Hallo, was ist passiert!“ Sie reagiert, indem sie die Hand hebt – ich bin schon einmal etwas erleichtert. Ich setze sofort einen kurzen Notruf (112) ab.

4. Notruf mit Freisprecheinrichtung

Notruf mit Freisprecheinrichtung
Abb. 4: Damit ich die Hände frei habe und gleichzeitig arbeiten kann, verwende ich ein kleines Headset als Freisprecheinrichtung. Kurz informiere ich die Leitstelle über:
 Wo?
 Was? Und dass ich weiterhin erreichbar bin; das Mobiltelefon kommt in eine Tasche, ein Kopfhörer bleibt eingestöpselt.

5. 3-A Regel: Ansehen, Ansprechen, Anfassen

Erste Hilfe, 3 A-Regel: Ansehen, Ansprechen, Anfassen
Abb. 5: Ich gehe nahe hin und fasse sie vorsichtig an, dabei spreche ich sie auch noch einmal an: „Hallo, was ist passiert?“ Dabei verschaffe ich mir einen Ersteindruck:
 Sie hat keine offensichtlich stark blutende Wunde.
 Sie ist durch den Sturz sichtlich eingeschränkt, sonst wäre sie nicht in einer so unbequemen Lage geblieben.

6. A-B-C-Schema

Erste Hilfe: Checken der Atemwege
Abb. 6: A = Atemwege. Ich checke entsprechend dem A-B-C-Schema (Airway/Atemwege-Breathing- Circulation/Kreislauf) zuerst die Atemwege:
 „Kriegst du Luft?“
 „Kannst du tief einatmen?“ Da sie die Fragen mit „Ja“ beantwortet und selbständig den Mund öffnen kann, schaue ich hinein und kontrolliere, ob der Mundraum frei ist.

7. Check der Verletzungen

Erster Status:

  • A“: Atemwege sind frei! (Achtung: Falls sie bewusstlos wird, kann der Atemweg sehr schnell blockiert werden). Aufgrund des mutmaßlichen Unfallhergangs muss ich aber achtsam bleiben und mit Problemen rechnen.
  • B“: Breathing, d.h. Atmung; Atemfrequenz/-tiefe/-Rhythmus ausreichend, derzeit keine Probleme
  • C“ Mit Circulation/Kreislauf habe ich momentan keinen Handlungsbedarf – das kann sich aber ändern.
  • Allgemein handelt es sich aber um eine „kritische Patientin“, die notärztliche Versorgung und einen schnellen Transport in die Klinik benötigt!
  • Ich rufe neuerlich in der Leitstelle an, um den Status bzw. die gewonnenen Informationen durchzugeben.

8. Lagerung

Lagerung von Verunfallten bei einem Retter
Abb. 8: Lagerung alleine: Bin ich alleine, lasse ich die Verletzte so liegen und versuche, sie nur unterstützend zu lagern. Ich bleibe bei ihr und mache laufend einen ABC-Check. Ich versuche, mit ihr laufend in Kontakt zu bleiben, um so sofort mitzubekommen, falls sich ihr Zustand verschlechtert.

9. Szenario: 2 Ersthelfer

gefahrenbewusste Annäherung bei Verunfallten
Abb. 9: Annäherung andere(r) Person(en): Kommen eine oder mehrere andere Personen dazu, achte ich auf eine gefahrenbewusste Annäherung dieser, sodass keine Steine losgetreten werden oder dieser auch noch stolpert und stürzt.
erste Hilfe: Zwei Ersthelfer
Abb. 10: Stehen zwei Ersthelfer zur Verfügung, kommt es darauf an, dass es eine gute Kommunikation zur Situation und zu den zu treffenden Maßnahmen gibt. Folgende Schritte sind zu machen:
 Erste-Hilfe-Ausrüstung und Bekleidung für den Wärmeschutz auspacken
 Platz für Lagerung vorbereiten
 Rucksack der Verunfallten abnehmen

Neuerlicher Status

  • Ansprechen
  • „A“: Check der Atemwege
  • Untersuchung des Kopfes: vorsichtig tasten und dann schauen, ob sich auf den Handschuhen Blut befindet. Besondere Aufmerksamkeit auf Ohren, Mund und Nase richten! Ein Helfer stabilisiert dabei immer den Kopf.
  • Check von Brustkorb: Atemfrequenz und Atemqualität
  • Check des Bauchraums: Ist der Bauch weich? Gibt es Blutungen (Check der Handschuhe)?
  • Check der knöchernen Strukturen, v.a. der Oberschenkel
  • Beweglichkeit der Füße (links, rechts) checken.
  • Checken, ob Verunfallte Druck mit Füßen und Händen ausüben kann (gegen meine Hand).
  • Laufend kommunizieren wir untereinander bzw. auch mit der Verunfallten.

Zum Teil 2 der Serie Notfall Alpin

Erschienen in der
Ausgabe #99