Nofall Alpin (7/9): neurologisches Problem
alle Artikel der Serie: Notfall Alpin
- Teil 1: Die ersten 5 Minuten (Ausgabe #99)
- Teil 2: Atmung und Kreislauf (Ausgabe #100)
- Teil 3: Einsatz des AEDs durch Notfallzeugen am Berg (Ausgabe #101)
- Teil 4: Erste Hilfe nach einer Lawinenverschüttung – Time is brain! (Ausgabe
#102) - Teil 5: Kritische Blutung z.B. nach einem Spaltensturz (Ausgabe #103)
- Teil 6: Erste-Hilfe-Material zur Blutstillung (Ausgabe #103)
- Teil 7: Neurologisches Problem (Ausgabe #104)
- Teil 8: Neurologisches Problem (D). Teil 2 be FAST (Ausgabe #108)
- Teil 9: E-Problem nach Skisturz (Ausgabe #109)
Gemeinsam haben wir dann wieder ein praxisnahes Szenario gesucht. Die Idee dieser Serie ist es ja, nicht nur „lehrsaalmäßig“ die Erste Hilfe isoliert zu betrachten, sondern klar zu machen, dass beim Bergsteigen die mitunter lebensrettenden Maßnahmen immer im Kontext zur Situation ergriffen werden müssen.
Sind wir im Absturzgelände seilgesichert unterwegs, dann ist die traditionellerweise als „behelfsmäßige Bergrettungstechnik“ bezeichnete Seiltechnik integraler Bestandteil jeder Erste-Hilfe-Maßnahme und entscheidet durchaus über den Ausgang der ganzen Aktion.
Seit Jahrzehnten werden dazu dieselben Inhalte und Aufgabenstellungen ausgebildet und geübt. Beim Felsklettern wären das standardmäßig das Prusiken, der Körper-, Express- und Seilrollenflaschenzug, die Selbstseilrolle und die Seilverlängerung. Variiert wird maximal bei den Knoten oder Klemmen. Dabei stellt der Aufbau eines Seilrollenflaschenzuges (= doppelter Flaschenzug) meist die schwierigste seiltechnische Aufgabe dar und selbst gestandene Alpinisten, die das länger nicht mehr gemacht haben, stehen vor einer veritablen Herausforderung.
Klar, denn im normalen Kletterleben braucht kaum jemand eine solche seiltechnische Konstruktion – wozu auch? Natürlich um den bewusstlosen Nachsteiger zum Stand heraufzuziehen – aber, Moment: wer hängt dann eigentlich die Zwischensicherungen aus? Das Vermitteln dieser Seiltechniken ist natürlich eine gute Sache, dient aber primär dazu, dem Einsteiger das grundlegende Handwerkszeug zu geben.
Der Fortgeschrittene und v.a. die Könnerin sollten in einer echten Notsituation dann natürlich abhängig von den Gegebenheiten und Umständen die jeweils bestmögliche Variante oder Kombination anwenden – die vermutlich in keinem Lehrbuch abgedruckt ist. Deswegen macht es Sinn und sollte immer mehr zur Selbstverständlichkeit werden, dass ab dem Fortgeschrittenenniveau die rettungstechnischen Grundlagen in verschiedenen realistischen Szenarien mit unterschiedlichem Material (eben das Zeug, das man mehr oder weniger zufällig am Gurt hat) trainiert werden.
Warum diese lange Einleitung? Weil wir Philipps Wunsch eines „Stein fällt auf den Kopf“-Unfalls am liebsten mit einem Vorsteigersturz über der Seilmitte enden lassen wollten. Eine super Übung, die vermutlich jeden von uns vor eine Herausforderung stellt: Wie komme ich sicher und schnell zur Umlenkung hoch? Wie überwinde ich die Exen, die unter Spannung stehen? Wie komme ich zum Gestürzten hin bzw. bringe diesen zu mir herauf? Und wie bringe ich uns dann auf einen geeigneten Platz bzw. zum Stand hinunter?
Die Seiltechniken dahinter sind aber nicht ganz trivial und natürlich gibt es dabei auch nicht nur eine gute Lösung, wie wir bei zahlreichen Übungen gesehen haben. Wir heben uns das für einen eigenen seiltechnischen Beitrag auf (… aber denk doch inzwischen selbst nach, wie du das lösen würdest – und wenn du eine optimale Lösung hast, dann lass es uns bitte wissen).
Ausgangssituation: Abseilen
Um nicht zu sehr vom eigentlichen Erste- Hilfe-Thema abzulenken, haben wir uns letztendlich für einen Unfall beim Abseilen entschieden – auch diese Situation wird in Ausbildungen leider nur recht selten durchgespielt. Was natürlich auch einen Grund hat, denn in der Praxis kommen solche Unfälle selten vor.
Wenn aber doch, dann wäre es ziemlich hilfreich, wenn man das Szenario im Kopf oder noch viel besser im Training bereits durchgespielt hat. Abgesehen von der individuellen Resilienz (= Widerstandsfähigkeit) gilt es, möglichst viel an Ressourcen zur optimalen Lösung der aktuellen Situation zur Verfügung zu haben – einer Situation wohlgemerkt, die sich mir so vermutlich noch nie gestellt hat.
Deshalb benötige ich ein Maximum an Aufmerksamkeit und Energie für all die Dinge, die „neu“ sind; die erstmalig bewertet werden müssen und wo ich leicht etwas übersehen kann. Gut für mich und den Verletzten, wenn ich jetzt all das, was man geistig und praktisch üben kann, auch bereits im Vorfeld trainiert habe. Dann habe ich viel an Ressourcen für die echten Probleme frei und verzweifle nicht, weil mir der Tibloc hinuntergefallen ist und der einzige Klemmknoten, den ich kenne, ausgerechnet jetztdurchrutscht …
Plan B ist gut, aber das Alphabet hat noch mehr Buchstaben! Doch zurück zu unserer Zweier-Seilschaft. Mit einem Einfachseil hat sich Walter zuerst abgeseilt und befindet sich am nächsten Stand, Philipp fährt gerade zu ihm hinunter. Walter bekommt mit, dass einige Steine herunterfallen, er hört auch ein Aufprallgeräusch und als er zu seinem Seilpartner hochschaut, hängt Philipp in seinem Kurzprusik. Er bewegt sich zwar etwas, aber reagiert auf Walters Zurufe sonderbar, er wirkt auf ihn unkoordiniert und „neben der Spur“. Auch nach weiterem Zurufen ändert sich nichts an Philipps Zustand.
Hinauf zum Verletzten
Walter schließt für sich, dass ihn wohl ein Stein am Kopf/Helm getroffen hat und das nicht ohne Konsequenzen geblieben ist. Ob der Zweite immer bzw. in welcher Situation einen Kurzprusik benötigt, wird regelmäßig eifrig diskutiert (vgl. bergundsteigen Ausgabe #80). In unserer Situation zunächst ein klarer Vorteil, weil die Abseilfahrt des Verletzten sofort stoppt. Kann er aber nicht mehr selber weiter abseilen bzw. den Kurzprusik lösen, dann steckt er an dieser Position fest.
Hätte er keinen Kurzprusik verwendet, sondern der Erste hätte sein Seil gesichert, dann könnte dieser ihn jetzt im steilen Gelände sofort bis zum Stand ablassen – oder er würde ebendort selbst verletzt liegen, weil er zum Bedienen des Seils unterhalb des Zweiten stehen muss und selbst vom Steinschlag betroffen war …
Wie immer: Alles hat Vor- und Nachteile. Was an unserer Situation aber nichts ändert. Philipp hängt verletzt im Seil fest. Wir wissen nicht, wie es ihm geht und deshalb werden wir wohl zu ihm hinaufkommen müssen.
Bevor wir uns aber aktiv für das Hochprusiken entscheiden, checken wir erst unseren Plan. Alternativ zum bekannten SISURF-Check (bergundsteigen #99) entscheiden wir uns heute für den kürzeren Triple-S-Check
- Safety-Sicherheit: Ist diese für mich und meinen Partner gegeben? Ist das Seil unbeschädigt? Ist mit weiterem Steinschlag zu rechnen?
- Scene-Szenario: Gehe ich von einer kritisch verletzten Person aus? Was kann ich da oben ausrichten? Komm ich da in kurzer Zeit überhaupt hinauf und wieder sicher hinunter?
- Situation: Kann ich die Rettungskräfte alarmieren? Wann ist mit deren Eintreffen zu rechnen? Ist alles Material, das ich benötige, am Gurt oder im Rucksack/ beim Seilpartner? Gibt es weitere Kletterer, die mich unterstützen (oder gefährden) können?
Um dies in der Eile und dem Stress nicht zu übersehen, ist es sehr hilfreich, jedes Mal ein 10für10 also 10 seconds for 10 minutes (bergundsteigen #99ff) einzubauen, bevor wir eine neue Aktion starten. Egal, ob das Problem seiltechnischer oder medizinischer Art ist. Dabei steht sowohl die eigene Sicherheit als auch die Sicherheit des Verletzten im Fokus.
Wir entscheiden uns also zu Philipp hoch zu prusiken. Wie immer zeigen die abgebildeten Fotos eine von vielen möglichen Varianten, die wir in „unserer“ Situation recht gut gefunden haben. Aber bitte selber ausprobieren und nach Belieben und Können verbessern. So stehen wir beim Abseilen auf den Machard als Kurzprusik (Absturzsicherung) und haben diesen gleich als „Sitzprusik“ verwendet (superschnell und elegant, nur später beim gemeinsamen Abseilen etwas zickig zu bedienen).
ABCDE-Durchgang
Oben beim Verletzten angekommen bringen wir unseren Prusik in eine gute Position und sehen, dass der Helm beschädigt ist; deswegen und weil wir den Steinschlag beobachtet haben, gehen wir bereits jetzt von einem kritisch verletzten Menschen aus.
Darüberhinaus stellen wir im Ersteindruck aber keine kritischen Blutungen fest und beginnen unseren ersten ABCDE-Durchgang. –>kritisch verletzt, Start mit ABC-Schema
Wie beim Notfall-Lawinen (bergundsteigen #102) ist auch bei Steinschlag die Mechanik, sprich Dynamik entscheidend. Gerade bei Schädel- und Gehirnverletzungen (SHT=Schädel-Hirn-Trauma) ist es präklinisch schwierig, den Grad der Verletzung zu erkennen. So passiert es immer wieder, dass (schwere) SHTs übersehen werden, da die betroffene Person augenscheinlich unverletzt wirkt.
Für die Ersthelferin bietet es sich daher an, die Unfalldynamik (mit) als Parameter zu verwenden und z.B. bei kaputtem/zerstörtem Helm einfach (pauschal) von einer schweren Verletzung auszugehen, welche eine professionelle medizinische Versorgung (idealerweise Hubschrauberrettung) und Klinikabklärung benötigt.
Leider gibt es derzeit kein valides Schema – wie bspw. bei Schlaganfall (Schnelltest FAST: Face-Arms-Speech-Time) -, das den Ersthelferinnen empfohlen werden kann. Das macht die Beurteilung der Unfalldynamik umso wichtiger. So gibt es Unfallverläufe, die ganz ohne D–Auffälligkeiten einhergehen (z.B. symptomfreies Intervall) und dann dramatisch enden. Im Zweifel ist demnach immer von einer Verletzung auszugehen.
A (Airway=Atemwege)
Bei verletzten Personen sollte beim Ansprechen sofort der Kopf fixiert werden (im Zuge von A, siehe bergundsteigen #99ff). Dies wird in unserer Situation aber schwierig sein, da nur zwei Hände zur Verfügung stehen und wir zusätzlich im Seil hängen. Wir haben uns dennoch dafür entschieden, mithilfe des Rucksackes und einer Bandschlinge einen „behelfsmäßigen Brustgurt“ zu installieren und dadurch eine „Abstützung“ des Kopfes bzw. der HWS bzw. des Rückens vorzunehmen.
Dies hat auch den Vorteil, dass der Körper des Verletzten bei einer Bewusstlosigkeit nicht nach hinten wegkippen kann. Auch versuchen wir während der ganzen Erstversorgung, so schonend wie möglich mit der HWS umzugehen. Klar – das Ganze ist ein Kompromiss. Weiters checken wir in A mit einem kurzen Blick in den geöffneten Mund, ob Blut, Zähne o.Ä. den Atemweg gefährden.
Mit der kurzen Frage, ob „schlucken“ geht, vergewissern wir uns, dass die Schutzreflexe funktionieren und aktuell die Atemwege als nicht gefährdet eingestuft werden können. –>HWS beachten, Atemweg derzeit frei
B (Breathing=Atmung)
In B beurteilen wir kurz, ob die Atemquantität (-frequenz) und Atemqualität (-tiefe) adäquat sind. Außerdem schauen wir, ob sich der Thorax symmetrisch hebt und senkt und tiefes Ein- /Ausatmen schmerzfrei möglich ist. Hierzu kann der Thorax kurz abgetastet werden. In unserem Fall kann B als in Ordnung eingestuft werden. –>B derzeit kein Problem, genauerer Check dann später im Liegen
C (Circulation=Kreislauf)
Da die Blutungsräume („Blood on the Floor and four more“: Bauch, Beine, Becken) im Hängen schwer zu beurteilen sind – außer offensichtliche kritische Blutungen (bergundsteigen #103), welche schon im Ersteindruck gecheckt wurden -, begnügen wir uns kurz mit einen Blick auf die Haut (Farbe, schwitzig) und den Check der Recap-Zeit (Nagelbettprobe: in Nagelbett gedrückter „weißer“ Fingernagel wird nach 2 Sekunden wieder rosa durchblutet > sonst Durchblutungs-/ Kreislaufproblem). –>C potentiell kritisch, da nicht vollständig gecheckt
D (Disability=neurologischer Status)
Eine genauere Einteilung erfolgt hier mit Hilfe des WASB-Schemas:
- Wach: hat Augen auf, nimmt mich wahr = Schutzreflexe OK
- Ansprechbar: öffnet Augen/reagiert auf Ansprache = Schutzreflexe gefährdet
- Schmerz: reagiert nur auf starkes Zwicken, Schmerzreiz = Schutzreflexe stark eingeschränkt/ nicht ausreichend
- Bewusstlos: keine Reaktion trotz Schmerzreiz = keine Schutzreflexe
Im Ersteindruck und während dem Hochprusiken haben wir bereits gemerkt, dass der Verletzte mit uns gesprochen hat, gefragt hat, was los ist und wer wir sind. Da er verwirrt ist – zur Person und Situation – fordern wir ihn auf, sich mit beiden Händen fest am Seil zu halten, so dass er nicht versehentlich einen „Scheiß baut“ und sich bspw. aushängt oder ausbindet.
Auch sollte ein Messer am Gurt usw. entfernt werden, da mit ungewollten bzw. unkontrollierten Handlungen gerechnet werden muss. –>D Wach, aber kritisch, da nicht orientiert und der zerstörte Helm (Dynamik), der auf ein SHT schließen lässt.
E (Environment=äußere Einflüsse)
Lassen wir aus, da wir die Priorität auf ein zügiges Abseilen und A und B legen.
Abseilen und erneut ABCDE
Um möglichst schnell nach unten zu kommen, verwendet man in dieser Situation das Abseilgerät des Verletzten in Kombination mit der Absturzsicherung (Kurzprusik) des Retters. Am Stand (bzw. dem geeignetsten Lagerungsplatz darüber/darunter) angekommen ist das oberste Ziel, einen weiteren Absturz oder andere Gefährdungen für den Verletzten oder mich zu minimieren.
Wenn dies mit Hilfe des 10für10 gecheckt ist, beginne ich wieder mit meinem ABCDE-Schema.
A (Airway=Atemwege)
In A wiederhole ich die bereits durchgeführte Prozedur und achte allem voran auf eine mögliche Verschlechterung. Da wir ein D-Problem haben, muss ich in A mit Problemen rechnen, wie z.B. Verlust von Schutzreflexen und möglicher Aspiration oder Verlegungen der Atemwege durch die Zunge und Ersticken.
Um der HWS gerecht zu werden, platziere ich die Person so achsengerecht wie möglich (Inline) oder halte nach Möglichkeit den Kopf, um Bewegungen/Manipulation zu vermeiden. Da wir nach wie vor alleine sind, ist das nicht durchgängig zu gewährleisten – wiederum ein Kompromiss.
Anm.: Sollte ich jedoch kein D–Problem feststellen oder meinen Verdacht auf eine schwere Wirbelsäulenverletzung legen, kann ich meine Priorität durchaus auf das „Festhalten“ richten und die anderen Punkte hinten anstellen. –>Wiederholte Prüfung von A OK – aber gefährdet, d.h. Fokus auf Überwachung und ggf. Plan B bereitlegen (Was ist, wenn …?)
B (Breathing=Atmung)
Auch in B wiederhole ich hier die oben erwähnten Aspekte. Es bietet sich an, auch die Schultern kurz zu inspizieren, da sie neben dem Kopf stark exponiert sind. Der Thorax sollte kurz entkleidet werden (Leiberl hochschieben/daruntergreifen), um nach Verletzungen zu suchen. Den Rücken können wir in dieser Position allerdings nur schwer anschauen, daher wird dies hinten angestellt. –> B OK – aber aufgrund des D-Problems kann mit „komischen“ Atemrhythmen/- mustern gerechnet werden, ggf. sogar Atemstillstand.
C (Circulation=Kreislauf)
Bei C kommt nun der wichtige Check der beiden Oberschenkel, des Bauches und die Beurteilung des Beckens (nicht tasten, nur Kinematik). Bei uns ist dies alles OK, da auch kein Sturz erfolgte, sondern der Stein vermutlich isoliert den Kopf traf. –> C OK.
D (Disability=neurologischer Status)
Im Rahmen des D-Checks registrieren wir eine Verschlechterung: Der Verletzte wirkt jetzt bewusstlos und reagiert lediglich bei direkter Ansprache mit einem Öffnen der Augen. Nach der Ansprache erfolgt eine verzögerte desorientierte Äußerung. Wir checken, ob der Verletzte vierfach orientiert zu ZOPS ist und stellen ihm einfache Fragen zu:
- Zeit: Welcher Tag ist heute?
- Ort: Wo bist du?
- Person: Wie ist dein Name?
- Situation: Was ist passiert?
Oft sind Verletzte zur Situation nicht orientiert (retrograde Amnesie) und fragen – auch mehrmals hintereinander: „Was ist passiert?“. Der ZOPS ist negativ und auch die Aufforderung, zwei Finger zu zeigen, kann vom Verletzten nicht mehr befolgt werden. Die Pupillen machen einen normalen Eindruck. Außerdem kommt kein Blut aus Mund, Ohr oder Nase. Ein Druck auf die Gesichts-/ Schädelknochen lässt deren Stabilität vermuten. Den Helm nehmen wir nicht ab. –>kritisches D – im Verlauf deutlich schlechter geworden, nur noch auf Ansprache erweckbar; A im WASB-Schema
Da sich im Verlauf bereits eine Verschlechterung dargestellt hat, sollte an dieser Stelle mit einem weiteren Eintrüben gerechnet werden, was direkt zu noch größeren A- und B-Problemen führen kann. Darüber hinaus kann ein Krampfanfall und/oder Erbrechen weitere Probleme bereiten. Um über genügend Handlungsfähigkeit zu verfügen, müssen wir uns darauf vorbereiten – also mit Komplikationen rechnen – und einen entsprechenden Plan zur Hand haben.
E (Environment=äußere Einflüsse)
Da wir einen kritischen Verletzten haben, entschließen wir uns in E nur für den Wärmeerhalt und lassen den vollständigen bzw. restlichen Bodycheck weg.
Auf Rettung warten/vorbereiten
Anschließend setzen wir einen erneuten Notruf ab mit dem Inhalt: „Schweres D-Problem nach Steinschlag, jetzt bewusstseinsgetrübt!“ Wenn notwendig verbessern bzw. verstärken wir den Standplatz und ziehen das Seil ab. Für die anstehende (Tau-)bergung richten wir alles sauber und übersichtlich her (dazu mehr an anderer Stelle) und beginnen wieder mit dem erneuten ABCDE-Check.
Komplikationen Krampfanfall
Im Zuge der SHT Verletzung kann es als Komplikation zu einem Krampfanfall kommen. Für die Ersthelferin ist es hierbei in erster Linie wichtig, die Person vor Begleitverletzungen zu schützen (durch das unkontrollierte Bewegen von v.a. Armen und Beinen der krampfenden Person) sowie ein Abstürzen zu verhindern.
Auch bietet es sich an, A (Airway/Atemwege) zu überwachen und mittels Esmarch-Handgriff (Kopf-Kiefer- Handgriff) den Mund offen zu halten. Es soll aber während des Krampfens nicht in den Mund hineingelangt werden, noch versucht werden, die Person zu fixieren. In der Regel erfolgt eine tiefere Bewusstlosigkeit nach erfolgtem Krampfen, hierbei geht es vor allem darum, A B und C zu überwachen.
Durch den Krampfanfall kann es auch zu einem Zungenbiss kommen. Mittels einer stabilen Seitenlage (ein Helfer) sollte bei ausreichender Spontanatmung das Blut gut ablaufen können. Ideal wäre ein achsengerechter LogRoll (zwei Helfer) in Kombination mit einem Esmarch. Bei mangelndem Erfolg und als Rückfallebene –>Stabile Seitenlage.
Resümee
Die Beurteilung eines D-Problems ist immer eine Herausforderung. Die vorhandenen Daten und verfügbaren Quellen für die Einschätzung eines SHT im Rahmen der Ersten Hilfe sind überschaubar, eindeutige Kriterien bzw. Beurteilungen sind daraus mitunter schwer ableitbar.
Hinzu kommt, dass die betroffene/verletzte Person aufgrund der Verletzung u.U. renitent, mitunter aggressiv werden kann. Nicht selten kommt es dann auch zu irrationalen Handlungen. Die „take home message“ lautet daher: die Summe aller Auffälligkeiten erfassen und entsprechend rechtzeitig von einer (zeit-)kritischen Verletzung ausgehen, d.h. die Rettungskräfte alarmieren.