Klimawandel: die 5 alpinen Gefahren der Zukunft
Der Klimawandel intensiviert vielerorts Naturgefahren in den Bergen und stellt den Alpenraum damit vor besondere Herausforderungen. Das geht aus einer Studie hervor, die SLF-Permafrost-Experte Samuel Weber und Glaziologin Mylène Jacquemart von der WSL und ETH Zürich im Rahmen des WSL-Forschungsprogramms CCAMM gemeinsam koordiniert haben.
„Unsere Beobachtungen unterstreichen deutlich die Auswirkungen des Klimawandels auf Massenbewegungen in den Bergen“, sagt SLF-Wissenschaftler Samuel Weber. Das internationale Team hat mehr als dreihundert wissenschaftliche Arbeiten aus den vergangenen drei Jahrzehnten ausgewertet. „Wir haben uns dabei auf die in den Alpen am häufigsten auftretenden Prozesse Steinschlag, Bergsturz, Murgang, Eis- und Schneelawine konzentriert“, erläutert Jacquemart die Vorgehensweise.
Die fünf größten alpinen Gefahren
1. Steinschlag
Die Aktivität hat in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen, allerdings nur im hochalpinen Bereich. Dort taut der Permafrost (siehe Kasten), und die Gletscher gehen zurück. Das schwächt verbreitet das Gestein und begünstigt dadurch, dass sich Steine und Felsmassen lösen.
2. Bergsturz
Für diese großen Ereignisse liegen vergleichsweise wenige Daten vor. „Auch wenn eine klare Aussage noch nicht möglich ist, deutet vieles darauf hin, dass Bergstürze heute häufiger vorkommen“, sagt Weber.
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3. Murgänge
Eindeutig hat die Zahl der Starkniederschläge zugenommen, die Muren auslösen können. „Aber nur die Hälfte der untersuchten Studien deutet auf eine Zunahme der Murgänge hin“, sagt Jacquemart. Allerdings gebe es Anzeichen für mehr Aktivität oberhalb der Baumgrenze und in bislang nicht betroffenen Gebieten. Dort steht aufgrund des Rückgangs der Gletscher und vermehrten Steinschlägen mehr lockeres Material zur Verfügung, welches die Niederschläge in Bewegung setzen können.
4. Lawinen
„In niedrigen Höhenlagen geht die Aktivität zurück, weil dort die Schneemengen abnehmen. In hohen Lagen hat die Lawinenaktivität hingegen leicht zugenommen“, erläutert Weber. Gleichzeitig verändert sich deren Art.
Trockene Lawinen treten heutzutage im Mittel weniger oft auf, Nassschneelawinen häufiger.
5. Eislawinen
An vielen Orten verschwinden mit den Gletschern auch die Eislawinen. Allerdings deuten regionale Beobachtungen darauf hin, dass größere Eislawinen seit der Jahrtausendwende häufiger auftreten.
Steigende Temperaturen (I) sind die Hauptursache, dass die Zahl der Steinschläge (a) in alpinen Regionen zunimmt. Eine weitere Folge sind mehr Starkniederschläge und lockeres Gestein, was zu mehr Murgängen führt, auch an Orten, an denen dieses Phänomen bislang nicht auftrat (b). Wärmere Winter bringen weniger Schnee in tiefe Lagen, in der Höhe hingegen ist mehr Schnee zu erwarten (III). Das bedingt weniger und kleineren Lawinen in tiefen Lagen (d) sowie mehr Nass- und weniger Trockenschneelawinen (c) sowie einer Zunahme von Abgängen im Hochgebirge (e).
Unerwartet kommt das alles nicht. Jacquemart und Weber verweisen auf den ersten IPCC Sachstandsbericht aus dem Jahr 1990, der bereits eine Zunahme alpiner Gefahren durch den Klimawandel prognostiziert hatte. Bei weiter zunehmender Erwärmung werden Schnee- und Eislawinen bis Ende des 21. Jahrhunderts seltener, erwarten die Forschenden. Gleichzeitig erwärmt sich der Permafrost auch in hohen Lagen weiter. Daher gehen die Forschenden davon aus, dass Steinschläge, Murgänge und Bergstürze häufiger werden. „Dieser Wandel stellt die Gesellschaft im Alpenraum vor große Herausforderungen“, betonen Jacquemart und Weber.
Was ist … Permafrost?
Permafrost ist Boden wie Fels, Schutt oder Moräne, der durchgehend Temperaturen unter 0°C aufweist und daher ständig gefroren ist. Rund fünf Prozent der Fläche der Schweiz besteht aus Permafrost, in der Regel in kalten und hochgelegenen Schutthalden und Felswänden oberhalb von 2500 Metern über dem Meeresspiegel.
Quelle: Pressemitteilung WSL und SFL; alle Grafiken: Jacquemart and Weber et al. / Earth-Science Reviews 2024