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13. Jul 2022 - 4 min Lesezeit

#alpinhacks: Seiltrage einfach gestrickt in 10 Schritten

Was tun, wenn eine Verletzung in den Bergen kein Weiterkommen ermöglicht? So baust du deine eigene Seiltrage in 10 Schritten.

Im gesamten Alpenraum ist das in der Regel kein Problem, wenn die Notrufkette mittels Mobiltelefon oder alpiner SOS-Meldung greift. Sofort werden die alpinen Rettungskräfte alarmiert und wenn es schnell gehen muss, startet umgehend ein Helikopter, der in wenigen Minuten mit professioneller Hilfe vor Ort ist. Doch was tun, wenn kein Flugwetter vorherrscht, kein Mobiltelefon zur Hand ist oder – noch schlimmer – es keinen Empfang gibt?

Um Verletzungen oder Erkrankungen behandeln zu können, zum Beispiel nach einem Sturz, einer allgemeinen Erschöpfung oder einem Herzstillstand, müssen die elementaren Erste-Hilfe-Maßnahmen von jedem Bergwanderer oder Bergsteiger ebenso beherrscht werden, wie das Lesen einer topografischen Wanderkarte oder das Knüpfen eines einfachen Sackstichknotens. Und nach der Erstversorgung stellt sich dann gleich die nächste wichtige Frage: Wie bringen wir den Verletzten ohne fremde Hilfe ins Tal? Jetzt ist Kreativität gefragt. Entweder wir nehmen die gehunfähige Person huckepack oder wir haben Glück und ein Stück Kletterseil im Rucksack dabei, um eine selbst geknüpfte Seiltrage herzustellen.

Früher noch recht kompliziert und dadurch nur den Bergwachtmännern vorbehalten, ist meine neu konzipierte Seiltrage für jedermann problemlos erlernbar geworden. Sie benötigen dafür nur einen einfachen Knoten, den Sackstich.

Voraussetzung für die einfache Römer-Seiltrage

  • Mindestens 30 Meter Kletterseil für eine kleine Person (je größer die zu transportierende Person, desto länger am besten das Seil).
  • Beherrschen des Sackstichknotens.
  • Sämtliche Sackstichknoten müssen sehr klein und straff geknüpft sein, damit zum einen die Seildehnung so gering wie möglich ist und zum anderen die zum Schluss fertig gestellte Liegefläche (gekreuzte Seile) ein stabiles Untergeflecht bildet, ohne dass ein Durchrutschen des Verletzten möglich ist.
  • Mindestens vier Personen zum Abtransport, je mehr Personen, desto leichter für alle Beteiligten.

Seiltrage in 10 Schritten: So wird’s gemacht

1. Kletterseil mittig aufschießen und einen Sackstichknoten setzen. Dieser dient zum Schluss der Fixierung der Seiltrage und auch zur Absicherung in schweren Geländeabschnitten dienen (Abb. 1).

Abb. 1 erster Sackstichknoten in der Seilmitte

2. Jetzt links und rechts jeweils wieder einen Sackstichknoten setzen. Die Knotenschlingen müssen unbedingt so klein wie möglich gelegt sein (Abb. 2). Ausnahme: Wenn bereits beim Aufbau der Seiltrage bekannt ist, dass zum Beispiel zwei Holzstangen vorhanden sind, die später durch die größer angelegten Sackstiche im äußeren Seilrahmen durchgezogen werden können. Der Abstand der beiden Sackstichschlingen nach außen richtet sich nach den beiden Achselfalten der Transportperson. Würde man den Abstand von Schulter zu Schulter nehmen, wäre die Breite der Seiltrage durch die Seildehnung viel zu weit und instabil.

Abb. 2 Knoten 2 und 3 in Achselhöhlenbreite

3. Jetzt werden im Abstand einer Handlänge (Abb. 3), entspricht ca. 15 cm (je kleiner der Abstand, desto besser bzw. desto engmaschiger die Liegefläche und desto stabiler zum Schluss die Seiltrage), wieder einfache Sackstiche gelegt. Die kleinen Sackstichschlingen werden nun bis auf die Höhe der beiden Hüften des zu Transportierenden geknüpft. Hier entweder wieder links und rechts zwei große Schlingen für den Transport mit Holzstangen setzen oder mit gleichbleibend kleinen Schlingen weiterknüpfen.

Abb. 3 es folgen auf jeder Seite mehrere Sackstichknoten (länge je nach Größe der verunfallten Person) im Abstand einer Handlänge

4. Anschließend werden wieder einfache Sackstiche im Abstand einer Handlänge (entspricht ca. 15 cm) gelegt, bis die Rahmenlänge dem zu Transportierenden entspricht (Abb. 4). Auch hier kommt es wieder darauf an, ob der Transport nun mit Holzstangen geschieht und somit mit zwei großen Sackstichschlaufen endet oder bei normalem Abtransport mit mind. vier Personen mit zwei ganz kleinen Sackstichschlaufen.

Abb. 4 Am fußende schmäler werdende Seiltrage wird mit einem Sackstichknoten verbunden, der Rahmen ist somit fertig.

5. Nun müssen lediglich die beiden Restseile mittels eines Sackstichs zusammengeknüpft werden (Abb. 4). Hierbei verschmälern wir den Rahmen um gut ein Drittel vom oberen Teil, da Beine und Füße ja nach unten hin schmäler werden (ca. die Breite der beiden Schuhe des Verletzten). Fertig ist die Rahmenkonstruktion der Seiltrage.

6. Anschließend fahren wir mit einem Seilstrang (zur besseren Übersicht hier orange dargestellt) abwechselnd von links nach rechts durch die im Rahmen liegenden Sackstichschlaufen (Abb. 5).

Abb. 5 Mit dem restlichen Seil wird nun im Zickzack in den Sackstichaugen eingefädelt.

7. Danach muss das andere Restseil diagonal durch die übrigen Sackstichschlaufen gefädelt werden, so dass eine kreuzförmige Fläche entsteht.

8. Das komplette Restseil wird jetzt durch die am Beginn mittig geknüpfte Sackstichschlinge gezogen und wiederum mittels einfachen Sackstichs fixiert (Abb. 6). Dieser muss unbedingt erfolgen, da sich die Liegefläche der Seiltrage ansonsten lösen könnte.

Abb. 6 Schlussfixierung mit Sackstich an der ersten Schlaufe.

9. Damit der Verletzte auch für die Dauer des Transports einigermaßen bequem liegt, muss die Liegefläche mit vorhandenem Material wie z. B. Isoliermatte, Jacken oder Ähnlichem gepolstert werden. Zur besseren Lage kann ein Rucksack unter den Kopf und ein Rucksack unter die Beine gelegt werden.

10. Sobald der Verletzte gut platziert ist, wird er mit dem übrigen Seil kreuzförmig fixiert.

Video-Tutorials: Taktische Alpinmedizin

Mehr zum Thema Erste Hilfe am Berg geben die Videotutorials des Österreichischen Alpenvereins.

Illustrationen: Georg Sojer

Erschienen in der
Ausgabe #118 (Frühling 22)

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