Kommerzielles Höhenbergsteigen: 4 Fragen an …
1.) Tashi Lakpa Sherpa
Was ist Ihr Bezug zum Expeditionsbergsteigen?
Vor 20 Jahren bin ich mit vier meiner sechs Brüder aus dem Makalu-Tal in die Hauptstadt Kathmandu gekommen. Wir suchten Arbeit und fanden sie als Träger und Küchenhelfer. Langsam arbeiteten wir uns nach oben und gründeten 2010 Seven Summit Treks. Auf dem Everest stand ich 2004 das erste Mal, bis 2021 acht weitere Male. Zudem erreichte ich die Gipfel von Cho Oyu und Manaslu sowie sechs der Seven Summits. Nur die Carstensz-Pyramide in Ozeanien fehlt mir noch.
Was hat sich in den letzten 30 Jahren aus Ihrer Sicht am meisten geändert?
Bei uns hat sich sehr viel geändert. Wir haben zum Beispiel unsere Sicherheitsstandards stark verbessert, indem wir in die Ausbildung unserer Bergführer investiert haben. Der selbstbewusste Umgang mit unseren Gästen ist ein großer Sicherheitsfaktor. Wir als Einheimische kennen die Achttausender in Nepal am besten, deswegen können wir uns auch am besten auf unsere Kunden einstellen – besser als ausländische Anbieter. Wir sind schon lange nicht mehr schwach und arm.
Wir wissen einfach, was unsere Gäste wollen.
Tashi Lakpa Sherpa
Unsere Expertise im Höhenbergsteigen übertragen wir auch erfolgreich auf andere Achttausender zum Beispiel in Pakistan. Als wir vor etwa zehn Jahren angefangen haben, unser Angebot auszuweiten, haben noch alle mit dem Kopf geschüttelt. Heute kopieren sie uns. Wir wissen einfach, was unsere Gäste wollen: frisches Obst, Cappuccino, eine Bäckerei und bequeme Matratzen in isolierten Zelten. So lässt es sich zwei Monate hier oben aushalten.
Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen?
In den vergangenen zwei Jahren hat uns die Pandemie stark zugesetzt. 2020 ging gar nichts. 2021 lief es aber am Everest gut, da hatten wir 150 Gäste bei uns im Lager. Dieses Jahr hatten wir nur 64 Gäste. Chinesen können aktuell nur eingeschränkt einreisen. China macht aber neben Indien den größten Markt aus. Unsere Preise liegen zwischen 45.000 und 300.000 Dollar. VIP-Gäste können fünfmal mit dem Hubschrauber ins Fünf-Sterne-Hotel nach Kathmandu fliegen, um Abstand zum Basislager zu bekommen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Wir wollen unser Angebot noch weiter ausbauen und unsere Rolle als Marktführer behaupten. Mit unserem Ableger 14 Peaks Expedition wollen wir die Bergsteiger unterstützen, die alle 14 Achttausender besteigen wollen. Die Nachfrage ist hier sehr stark gestiegen.
2.) Lukas Furtenbach
Was ist Ihr Bezug zum Expeditionsbergsteigen?
Ich biete schon seit mehr als 20 Jahren Expeditionen an Achttausendern an. Mein Unternehmen Furtenbach Adventures habe ich 2014 gegründet, Expeditionen am Everest sind seit 2016 im Programm. Bei unseren Expeditionen ist Sicherheit ein zentraler Faktor, die wir beim Höhenbergsteigen durch mehr Sauerstoff (Flussrate 8l/Min.), hohe Sherpa-Betreuung (1:2), Vorakklimatisierung und eigene Ärzte gewährleisten. Zudem arbeiten wir nur mit IFMGA/AMGA Bergführern, die unserem Sherpa-Team zur Seite gestellt sind. Unsere jahrelange 100-Prozent-Erfolgsquote am Everest spricht für sich.
Was hat sich in den letzten 30 Jahren aus Ihrer Sicht am meisten geändert?
Das Höhenbergsteigen ist sicherer geworden, auch weil die Nepalesen mittlerweile mehr in die Sicherheit ihrer Mitarbeiter und Gäste investieren. Anfang der 2000er-Jahre kamen immer mehr nepalesische Anbieter hinzu. Um die Expeditionen billiger anzubieten, sparten sie an der ärztlichen Versorgung, am Sauerstoff und an der Betreuung ihrer Gäste. Das führte zu einem kontinuierlichen Preisrutsch nach unten – und zu vielen vermeidbaren Todesfällen. Das ist nun besser geworden. Was ich aber heute immer mehr beobachte, sind Helikopterflüge von Camp zwei ohne medizinischen Notfall. Eigentlich verboten, aber oft praktiziert.
Das Höhenbergsteigen ist sicherer geworden.
Lukas Furtenbach
Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen?
Die nepalesischen Anbieter haben den Markt weitestgehend übernommen. Wir können uns noch gut halten, weil wir mit unseren Flash-Expeditionen sehr erfolgreich sind. Durch kontrollierte Vorakklimatisierung in hypoxischen Zelten dauern Everest-Expeditionen nur noch gute drei statt neun Wochen. Damit sparen wir bis zu 50 Prozent Ressourcen und produzieren entsprechend weniger Müll und CO2 – und das bei gleichbleibender, fairer Bezahlung der lokalen Mannschaft.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich finde es wichtig, dass alle zusammen an der Zukunft des Höhenbergsteigens arbeiten, auch was Umweltthemen angeht. Der Klimawandel hat schon jetzt einen großen Einfluss auf das Geschehen am Berg. Dieses Jahr hatten wir das erste Mal am Südsattel am oberen Everest-Gletscher Wasserpfützen. Die zunehmende Erwärmung und der Masseverlust am Gletscher könnten dazu führen, dass der Gipfelaufbau instabiler wird. Über solche Szenarien sollten wir heute schon nachdenken.
3.) David Göttler
Was ist Ihr Bezug zum Expeditionsbergsteigen?
Das erste Mal war ich als Absolvent des DAV-Expeditionskaders 2002 in Indien in höheren Lagen unterwegs. Seither bin ich fasziniert vom Höhenbergsteigen und arbeitete kurze Zeit auch als Expeditionsbergführer. Parallel dazu habe ich mir eine Profikarriere aufgebaut, die jetzt den Großteil meiner Zeit in Anspruch nimmt. Bisher stand ich auf sechs Achttausendern, alle ohne zusätzlichen Sauerstoff: Gasherbrum II, Broad Peak, Makalu, Lhotse, Dhaulagiri und Mount Everest. Vergangenes Jahr versuchte ich mich an einer Winterbesteigung an der 4500 Meter hohen Rupalwand am Nanga Parbat (8126 m).
Was hat sich in den letzten 30 Jahren aus Ihrer Sicht am meisten geändert?
Viele Menschen setzen heute das Expeditionsbergsteigen mit den kommerziellen Besteigungen gleich. Das stört mich. Klassische Expeditionen sind für mich einzelne, unabhängige Teams, die sich ein herausforderndes Ziel suchen: ohne Flaschensauerstoff und Unterstützung von Trägern. Für solche anspruchsvollen Unternehmungen muss man ausgebildeter Bergsteiger sein. Mittlerweile verschwimmen da aber die Grenzen.
Mit Bergsteigerethik, wie wir sie aus den Alpen kennen, hat das kommerzielle Höhenbergsteigen nicht viel zu tun – und sollte deswegen unbedingt differenzierter betrachtet werden. Andere Nationen wie Inder, Chinesen und selbst Amerikaner haben ein ganz anderes Mindset als wir. Da ist die Frage, ob eine Begehung mit oder ohne Flaschensauerstoff stattgefunden hat, nicht so wichtig. Ich will niemandem seinen Erfolg aberkennen. Mir ist es nur wichtig, dass man klar zwischen kommerziellen und unabhängigen Expeditionen, wie ich sie durchführe, unterscheidet.
Mit Bergsteigerethik, wie wir sie aus den Alpen kennen, hat das kommerzielle Höhenbergsteigen nicht viel zu tun.
David Göttler
Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklungen?
Natürlich beobachte auch ich eine zunehmende Kommerzialisierung und das nicht nur am Mount Everest, sondern auch an anderen Achttausendern. Diese Entwicklung stört mich nicht, zumal sie von den Nepalis vorangetrieben wird. Wir machen es in den Alpen auch nicht anders. Im Grunde quetschen alle alles aus dem Business heraus. Wenn es nach mir geht, soll jeder das so handhaben, wie es ihn glücklich macht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir mehr Transparenz und Ehrlichkeit im Umgang mit dem Höhenbergsteigen: Waren Fixseile und Flaschensauerstoff im Spiel, hatte ich Sherpa- Support, waren Hubschrauber für mich im Einsatz? Wir sollten unsere Leistungen unaufgefordert in die richtige Perspektive rücken. Das habe ich zum Beispiel mit meiner Everest-Besteigung dieses Jahr gemacht:
Ich habe offen kommuniziert, dass ich Fixseile genutzt habe, aber ganz klar ohne Flaschensauerstoff und Sherpa-Support unterwegs war. Wenn Leute meinen, dass ein Satz am Ende eines Instagram-Posts à la „Danke an meine Sherpas XY und YZ“ ausreicht, dann irren sie. Damit schreiben sich die Leute lediglich das Gewissen rein. Ohne die Hilfe der Sherpa-Guides wäre für viele schon am Basislager Schluss – und das sollten die Leute da draußen einfach wissen und realisieren.