Schutzbeutel zum Überleben: 3 Biwaksäcke für jeden Einsatz
Es ist der Sonntag, 29. April 2018. An der Pigne’Arolla sterben an diesem Tag sieben Bergsteiger:innen im Schneesturm, nur rund 20 Gehminuten von der Vignetteshütte entfernt. Keine der beiden Skitourengruppen hatte einen Biwaksack dabei.
Zum Hintergrundartikel: Das Drama am Pigne d’Arolla. Eine Darstellung des Unfallgeschehens in der bergundsteigen #117.
Nicht weit davon entfernt kommt es sechs Jahre nach dem Unglück im März 2024 – erneut zur Tragödie. Eine Tourengruppe von sechs Personen kommt an der Tête Blanche auf dem Weg von Zermatt nach Arolla bei einer Trainingstour für die Patrouille des Glaciers in einen Schneesturm. Alle sechs Personen kommen dabei ums Leben. Die Gruppe war wie im Wettkampfmodus minimalistisch ausgerüstet, wieder ohne Biwaksack.
Der Unfall an der Pigne d’Arolla von 2018 zeigt auf tragische Weise, welchen Unterschied die direkte Exponiertheit von Wind und Wetter im Gegensatz zu einem kleinen Unterschlupf machen kann. Die andere Gruppe (sieben Personen) überlebte das Unglück – genau jene Personen, die sich hinter einem kleinen Wall von Steinen und Schnee schützen konnten.
Welcher Biwaksack für welchen Einsatz ?
Warum keiner der verunglückten Gruppen einen Biwaksack mit hatte, scheint vor allem auf kulturelle Gründe zurückzuführen zu sein. Es ist auch nicht Ziel dieses Artikels, diese Frage zu beantworten. Vielmehr wollen wir euch einen Überblick über die verschiedenen Biwaksacktypen geben und euch motivieren, den vielleicht in die Jahre gekommenen „Schutzbeutel“ mal wieder herauszuholen und auf Aktualität und Funktionalität zu überprüfen.
Video: Die Biwaksack-Typen erklärt
von Bergführer Christoph Pirchmoser, Österreichischer Alpenverein
1. Notbiwaksack: der Minimalist
Besser als nichts, aber für ein richtiges Biwak wohl nur in Kombination mit einem robusten Biwaksack einsetzbar, sind die leichten Notbiwaksäcke. Sie wiegen zwischen 150 und 250 Gramm und erinnern ein wenig an die üblichen Alu- Rettungsdecken. Ausführungen gibt es für eine oder zwei Personen. Der Sack dient entweder als Unterlage in Kombination mit einem robusten Biwaksack zur Erstversorgung verunfallter Personen oder eben als Biwaksack, wenn man ganz hineinschlüpft. Das filigrane Material wird beim Kontakt mit spitzen Gegenständen (Steigeisen, Steine) sehr schnell kaputt und hält einem längeren Biwak bei starkem Wind kaum Stand. In Kombination mit einem Group Shelter ist der Notbiwaksack aber sehr effektiv.
2. Zwei-Personen-Biwaksack: Das Arbeitstier
Robuste Zwei-Personen Biwaksäcke waren lange der Standard auf Berg- und Skitouren und finden sich in jedem „Bergsteigerkeller“- häufig in mehrfacher Ausführung. Sie eignen sich für „geplante Biwaks“ auf langen Felsgraten, zum behelfsmäßigen Abtransport mittels Biwaksackschleife oder als Unterlage zum Versorgen von verletzten Personen. Ein kleines, wenn auch sehr wichtiges Detail sind die Kopföffnungen, damit der Biwaksack auch als Zweier-Poncho getragen werden kann. Sind diese nicht vorhanden, so kann man in den Sack lediglich hineinsteigen oder liegen. Die Wärme entweicht durch die große Öffnung und der Boden wird beim Kontakt mit Steinen oder Steigeisen schnell durchlöchert.
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Abtransport mit Biwaksack
3. Group Shelter: Schutz der Gruppe
Vor allem bei Durchquerungen sind sogenannte Group Shelter absolut genial und sollten in ausreichender Anzahl vorhanden sein. Die leichtesten Group Shelter für vier Personen starten bei 320 Gramm und haben in etwa das gleiche Packmaß wie ein robuster Zwei-Personen-Biwaksack. Diese Art von Biwaksäcken sind nicht nur für den Notfall geeignet, sondern dienen auch als angenehme Schutzhülle bei Pausen. Da das Material äußerst dünn ist, eigenen sich die Group Shelter allerdings nicht für den behelfsmäßigen Abtransport.
Fazit: Kleine Helfer, große Wirkung
Der Unfall an der Pigne d’Arolla hat gezeigt, dass ein einfacher Wetterschutz über einen glücklichen oder unglücklichen Ausgang entscheiden kann. Für welche Art von Biwaksack man sich letztlich entscheidet, sei jedem selbst überlassen und hängt natürlich auch von der Art der Tour ab. Variantenfahren in der Nähe des Skigebiets verlangt eine andere Art von Ausrüstung wie eine Durchquerung wie der Haute Route.
Bei alpinen Notfällen spielt das Wärmemanagement aber so gut wie immer eine Rolle und mit dem passenden Biwaksack hat man auf jeden Fall schon einmal eine wesentlich bessere Ausgangsposition als mit der Rettungsdecke allein.