„Sicherheitspapst“: In Memoriam Pit Schubert
Als 1969 der erste Mensch den Mond betrat und damit eindrucksvoll die Möglichkeiten der Technik und die Kunst der Ingenieure demonstriert wurden, lebten – pardon – kletterten Bergsteigerinnen und Bergsteiger – technisch gesehen – noch weit hinter dem Mond.
Eispickel mit Holzschäften. Eisschrauben glichen Korkenziehern. Leider nicht nur optisch – sondern auch, was die Haltekräfte betraf. Die Zeit des Hanfseils war noch in guter Erinnerung. Expressschlingen, Klemmkeile, Friends noch nicht erfunden. Karabiner schwer und nicht geprüft. Tödliche Abstürze aufgrund von Seilrissen gab es jedes Jahr. Abgeseilt wurde im Dülfersitz. Gesichert über die Schulter.
1969 machte die Menschheit einen großen Schritt, 1968, weniger spektakulär, die Bergsteigerwelt. Damals gründeten visionäre Bergsteiger und Alpenvereins-Funktionäre den „Sicherheitskreis“ – mit dabei Wastl Mariner, damals Alpinreferent des OeAV . Gründungsmitglied und 32 Jahre lang Motor und Leiter dieses Sicherheitskreises wurde Pit Schubert.
Der „Sicherheitspapst“: Mehrere Generationen von Bergsteigerinnen und Kletterern verbinden Pit Schubert mit diesem Begriff, nur die Älteren wissen, dass Pit alles andere als ein Risikoverweigerer war. Zwischen Erstbegehungen, tödlichen Unfällen und Alpingeschichte: Pit Schubert im Porträt.
1935 in Breslau geboren, absolvierte Pit Schubert zunächst eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und studierte anschließend Maschinenbau. Als Ingenieur zog es ihn nach München, wo er rund 15 Jahre in der Luft- und Raumfahrtindustrie tätig war. Mit 17 begann Schubert mit dem Bergsteigen und Klettern und es wurde eine eindrucksvolle Tourenliste: Erstbegehungen in den Dolomiten und im Wilden Kaiser, die drei großen Wände der Alpen – Eiger, Matterhorn und Grandes Jorasses – die er als einer der ersten Deutschen durchstieg, Teilnehmer an vier Expeditionen, zweimal als deren Leiter, die erste Durchsteigung der Südflanke der Annapurna IV.
Techniker, Extrembergsteiger, Idealist – da kam die neu gegründete Plattform des „DAV-Sicherheitskreis“ gerade recht. Der Name Pit Schubert wurde zum Synonym für „Sicherheit im Bergsport“, indem er ingenieurwissenschaftliche Standards in den Bergsport einführte, systematische Test- und Messreihen entwickelte und damit den Weg zur Normierung von Bergsportausrüstung maßgeblich mitgestaltete.
Ein Symbol für geprüfte Qualität
Mit der UIAA-Sicherheitskommission, deren Präsident er viele Jahre war, entwickelte Pit Schubert das UIAA-Label, das für eine ganze Generation von Bergsteigerinnen und Bergsteigern zum Markenzeichen und zum Symbol für geprüfte Qualität wurde, konsequent weiter. Perfekt ergänzt wurde die Arbeit an den UIAA-, später an der nationalen DIN, zuletzt an den europäischen Normen durch zahlreiche Untersuchungen zum Unfallgeschehen – z.B. zu Mitreißgefahr, Anseilmethoden und Partnersicherung. Der neue technische Standard zeigte die Auswirkungen eindrucksvoll in der Unfallstatistik. Waren zum Beispiel Seilrisse in den 60er Jahren noch an der Tagesordnung, sind Seilrisse heute – trotz einer Verhundertfachung der Zahl der Aktiven – beinahe ausgestorben.
Den Titel „Sicherheitspapst“ erwarb Pit Schubert lang bevor alle Deutschen Papst wurden.
Pit Schuberts Lebenswerk verdankt sich aber noch einer weiteren Begabung: Pit Schubert war ein begnadeter Kommunikator, der als Vortragender und als Autor von Fachbeiträgen, Lehrschriften und Lehrbüchern leidenschaftlich für mehr Sicherheitsbewusstsein warb, appellierte, ohne in besserwisserische Arroganz zu verfallen, belehrte, ohne moralischen Zeigefinger, analysierte, ohne die Demut vor den Opfern zu verlieren und zu vergessen, dass man sich auf eines immer verlassen kann: Menschen machen Fehler! Humor, Selbstironie und die Begabung, auch komplexe Zusammenhänge verständlich zu erklären, standen ihm dabei als besondere Tugenden hilfreich zur Seite.
Von Seilrissen über Bohrhaken bis hin zu Klemmgeräten und Unfallszenarien: Pit Schubert verfasste unzählige relevante Artikel für bergundsteigen. Alle Artikel in der Übersicht
Zum Klassiker wurde sein Alpin-Lehrplan zu Sicherheit und Ausrüstung, Bestseller Pit Schuberts Sicherheit und Risiko in Fels und Eis. So erfolgreich, dass inzwischen drei Bände erschienen sind. 1995 wurden die Bücher mit dem sogenannten Alpin-Oscar, dem Dietmar-Eybl-Preis für Sicherheit am Berg, ausgezeichnet. „Sicherheit und Risiko in Fels und Eis“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt.
Sehr geehrter Herr Schubert, lieber Pit – im Namen des Alpenvereins möchten wir danke sagen, danke für deinen großen Beitrag zu mehr Sicherheit beim Bergsteigen und Klettern, danke für dein Engagement für mehr Risikobewusstsein und Eigenverantwortung.
Zum Bergsönlichkeits-Interview von 2016.
Zum Berg-Portfolio von Pit Schubert.