bergundsteigen #128 cover
Magazin Abo
nach AED Schock folgt die normale Herzdruckmassage.
03. Feb 2024 - 8 min Lesezeit

Notfall Alpin (3/9): Einsatz des AEDs durch Notfallzeugen am Berg

Im Teil 2 der Serie Notfall Alpin ist Philipp Dahlmann auf die Basics bei Problemen mit Atmung und Kreislauf am Beispiel eines internistischen Notfalls eingegangen. Was die Erste Hilfe betrifft, stellt ein Lawinenunfall nun eine spezielle Situation dar. In diesem dritten Beitrag von „Notfall Alpin“ geht es darum, wie wir einer verschütteten Person am besten helfen können – Stichwort: Sauerstoff zum Hirn oder time is brain!

alle Artikel der Serie: Notfall Alpin

Durch die Defibrillation innerhalb von 3 bis 5 Minuten nach einem Kreislaufstillstand können (im urbanen Raum) Überlebensraten von 50 – 70 % erreicht werden. In ihrem Beitrag „Herz-Lungen-Wiederbelebung mit Laiendefibrillatoren (AED) in den Bergen Österreichs von 2005 bis 2015“ veröffentlichen die Autoren erstmals Zahlen zum Einsatz des „Laiendefis“ durch Ersthelfer im Gebirge. Immer wieder wird der Einsatz des AED thematisiert. Höchste Zeit also, dieses Gerät und seine korrekte Anwendung vorzustellen.

Nicht nur im urbanen Bereich, auch im alpinen Gelände informiert die Leitstelle den Ersthelfer, wo der nächste AED stationiert ist.

Wo finde ich einen AED

Die Defibrillation durch den Notfallzeugen bzw. der Ersthelferin ist mithilfe eines AEDs problemlos möglich. Der Automatische Externe Defibrillator ist in der Regel ein „Halbautomat“, d.h. die Anweisungen kommen akustisch, teilweise auch visuell vom Gerät, die (Schock-)Knöpfe müssen aber noch selbstständig durch den Notfallzeugen gedrückt werden.

In den meisten Städten und auch im ländlichen Gebiet wird seitens des Staates ein flächendeckendes AED-Netz angestrebt – Public Access Programm. Hierbei sind die AEDs öffentlich zugänglich und eine Interaktion zwischen Leitstellendisponenten, Notfallzeugen und Einsatz des AEDs findet statt. D.h. die Leitstelle weist bei einem entsprechenden Notruf daraufhin, wo der nächste AED stationiert ist.

Auch im alpinen Gelände kann so – entsprechende Ressourcen vorausgesetzt – unter Umständen rasch ein AED zum Notfallort gebracht werden. Gerade im alpinen Raum ist diese Interaktion von großer Bedeutung, da der Notfallzeuge i.d.R. nicht weiß, wo der nächste AED zu finden ist. Die (integrierten) Leitstellen spielen dabei als zusätzliche Ressource (vgl. #99) eine wichtige Rolle, da sie neben der Notrufabwicklung zusätzlich noch auf die Datenbank der AED-Standorte in Österreich zugreifen können und ggf. sogar einen weiteren (Erst-)Helfer mit dem benötigen AED an den Notfallort schicken können (bspw. Lift- oder Hüttenpersonal).

Ob alle Leitstellen dieses Service anbieten, ist uns nicht bekannt, nach Rücksprache mit der ILS Tirol besteht aufgrund von Datenbanken wie z.B. www.definetzwerk.at diese Möglichkeit. In diesem Zusammenhang sind alle alpinen Hütten etc. mit AED dazu aufgerufen, dort ihren Standort einzutragen, damit die Notrufzentralen darauf zugreifen können! Dadurch kann die Rettungskette weiter gestärkt werden und lebensrettende Maßnahmen noch vor Eintreffen der Profis durchgeführt werden.

Am urbanen Beispiel von Seattle (USA) zeigt sich, wie effizient dieses Vorgehen sein kann; Verfügbarkeit von öffentlich zugänglichen AEDs von <5 Minuten, Schulung von bspw. Stadt- Angestellten etc. im BLS (Basic Life Support = hochwertig und trainierte CPR unter Verwendung eines AEDs). Der Transfer in den Alpenraum bzw. in Notfallsituationen in den Bergen wird im Folgenden beschrieben. Dabei ist es wichtig, dass der AED zusätzlich zur CPR (cardio-pulmonale Reanimation oder Herz-Lungen-Wiederbelebung, vgl. Notfall Alpin: Atmung und Kreislauf in bergundsteigen #100) angewendet wird und diese keinesfalls ersetzt sondern ergänzt.

Bedienung des AED

Möglichst zwei, besser drei Helfer führen die CPR durch. Durch die Leitstelle wurde den Ersthelfern telefonisch der nächste Standort des AEDs mitgeteilt. Dank weiterer Helfer konnte dieser problemlos innerhalb von vier Minuten von der nahegelegene Liftstation an den Unfallort gebracht werden.

Vorbereitung

  • der AED wird geöffnet und aktiviert
  • Sprach- und Bildschirmanweisungen folgen
  • Elektroden auspacken, CPR nicht unterbrechen
  • Oberkörper abtrocknen, bei starker Behaarung ggf. rasieren
  • eine Elektrode unter die linke Achsel fest aufkleben
  • weitere Elektrode unter das rechte Schlüsselbein fest aufkleben (Reihenfolge egal, da biphasisch)
  • dabei ist es egal in welcher Sequenz (Beatmung oder Kompression) ihr in der CPR seid, sobald der AED da ist, wird er verwendet
Der AED gibt genaue Anweisungen was zu tun ist.
Bild 1: Ist der AED vor Ort, wird die Herz-Lungen- Wiederbelebung (CPR, cardio-pulmonale Reanimation) fortgesetzt, bis das Gerät geöffnet und die beiden Elektroden (Klebepads) laut den Anweisungen (aufgedruckt, Sprachanweisung, Anzeige Display) fest am nackten Oberkörper befestigt sind (ggf. vorher Oberkörper abtrocknen/rasieren). Ist der AED bereit, wird er sofort verwendet. Foto: Paul Mair & Phil Dahlmann im Rahmen des „Notfall-Alpin“ Lehrganges

AED-Analyse und Schock

Gemäß der Anweisung der Sprach- und Bildschirmausgabe des AEDs die CPR kurz unterbrechen. Jetzt führt der AED selbstständig eine Analyse des Patienten durch und empfiehlt entweder einen Schock oder die CPR ohne Schock fortzuführen.

bei schneller Verfügbarkeit des AEDs und hochwertiger CPR wird das Gerät i.d.R. einen Schock empfehlen (elektrische Phase eines Kreislaufstillstandes 3-5 Minuten)

während der Schockabgabe darf keiner den Patienten berühren; dies muss vorher durch den AED-Anwender kontrolliert werden: „Schock bei 3: 1 ich bin weg, 2 ihr seid weg, 3 Schock“

sollte das Opfer durch die bereits durchgeführte CPR wieder einen ROSC (Return of spontaneous circulation, d.h. eigenen Spontan Kreislauf mit adäquater eigener Atmung) haben, wird man (je nach Gerät) aufgefordert, das Opfer gemäß ABC-Schema zu checken: dabei sind eindeutige Lebenszeichen (bewegt sich eindeutig, wacht auf oder atmet normal) entscheidend (vgl. Notfall Alpin: Atmung und Kreislauf in bergundsteigen #100).

Während des AED Schocks heißt es Abstand halten!
Bild 2: Der AED fordert nun via Sprache/Display dazu auf, die CPR zu unterbrechen und führt eine Analyse durch. Danach fordert er den Anwender auf, einen Schock abzugeben und dann die CPR durchzuführen oder ohne Schock sofort weiter zu reanimieren. Der AED-Anwender ruft „Schock bei 3: 1 – ich bin weg, 2 – ihr seid weg, 3 – Schock!“, bevor er den Schock mittels Knopfdruck auslöst. Foto: Paul Mair & Phil Dahlmann im Rahmen des „Notfall-Alpin“ Lehrganges

Herzdruckmassage

Die CPR wird dabei so kurz wie möglich unterbrochen, für Analyse und Schock benötigt das Gerät nur wenige Sekunden, daher sollen sich alle bereithalten, sofort wieder mit der CPR fortzufahren, v.a. wenn kein Schock empfohlen wird, ist die Unterbrechung im Bereich von 2 bis maximal 4 Sekunden – je nach Gerät.

  • nach der Schockabgabe oder der Analyse ohne Schock wird mit 30 Thorax-Kompressionen begonnen
  • dabei wird keine Atem- oder Pulskontrolle durchgeführt
nach AED Schock folgt die normale Herzdruckmassage.
Bild 3: Nach der Analyse und evtl. Schockgabe (Sekunden) sofort wieder mit 30 Kompressionen beginnen … Foto: Paul Mair & Phil Dahlmann im Rahmen des „Notfall-Alpin“ Lehrganges

Beatmung

Nach den 30 Thorax-Kompressionen erfolgen 2 Atemspenden, idealweise wird hierfür eine Pocket-Maske verwendet. Nach 5 Durchläufen, d.h. 5 x 30 Thorax- Kompressionen und 3 x 2 Atemspenden (entspricht ca. 2 Minuten Zeit) wird mithilfe des AEDs eine erneute Analyse durchgeführt.

  • wie zuvor wird jetzt entweder der Schock empfohlen oder sofort wieder mit der CPR weitergemacht (kein Schock)
  • dieses Procedere erfolgt solange, bis das Opfer sich bewegt oder normal atmet (#100) bzw. bis die Profirettung übernimmt
nach AED schock folgt die normale Atemspende
Bild 4: ….gefolgt von 2 Beatmungen (idealerweise mit der abgebildeten Pocket- Mask). Nach 5 Durchläufen (ca. 2 Minuten) wird erneut durch das Gerät selbständig eine Analyse durchgeführt, wobei niemand den Patienten berühren darf. Foto: Paul Mair & Phil Dahlmann im Rahmen des „Notfall-Alpin“ Lehrganges

Während der Wiederbelebung

Gerade bei Trauma-CPR (Wiederbelebung bei Verletzungen) soll ein freier Helfer das Opfer nach A, B und C checken und hierbei v.a. auf kritische Blutungen achten. Diese müssen während der CPR zwingend gestoppt werden (Israel-Bandage, Tourniquet, etc).

HLW trotz AED
Bild 5: Während die CPR mit dem AED weiterläuft, werden kritische Blutungen gestoppt. Foto: Paul Mair & Phil Dahlmann im Rahmen des „Notfall-Alpin“ Lehrganges

Wichtig

Dieses Vorgehen benötigt Übung und Training! Mythen wie bspw. dass das CPR bei Trauma „nichts bringt“ sind längst widerlegt und spielen absolut keine Rolle für den Notfallzeugen/Ersthelfer. Im Sinne des Notfall-Alpin Konzepts-bietet es sich an, bereits bei beginnender Bewusstlosigkeit bzw. Auffälligkeiten in A, B, C, D oder E einen AED bereit zu halten.

Für den geübten und trainierten BLS (Basic Life Support)- Anwender ist es zumutbar, kausale Reanimationsgründe (vier H’s und HITS: Hypoxie, Hypovolämie, Hypothermie, Hypo-/Hyperkaliämie und Herzbeuteltamponade, Intoxikation, Thromboembolie, Spannungspneumothorax) – von weiteren Helfern beheben zulassen. Dies gilt explizit für kritische Blutungen (Hypovolämie).

Schnee leitet den Strom des AEDs nicht weiter, Gefahrenstellen sind Böden aus Metall und mehrere Zentimeter hoch stehendes Wasser. In diesen Fällen ist das Opfer zuerst an einen sicheren Ort zu bringen. Der AED kann generell bei Kindern nach dem ersten Lebensjahr (Säugling) verwendet werden. Je nach Gerät muss dabei ein eigener Knopf oder Schalter betätigt werden. Das genaue Vorgehen bei Kindernotfällen wird in einem späteren Beitrag thematisiert.

Notfall-Defi Alpenverein

AED Alpenverein

Der im Beitrag abgebildete Defi ist ein Modell, das der Österreichische Alpenverein für seine Schutzhütten anbietet. Erfolgreiche Einsätze gab es damit bereits auf mehreren Alpenvereinshütten – es ist zu hoffen, dass immer mehr Hütten mit einem solchen AED ausgestattet werden. Beispielhaft die Eigenschaften dieses Geräts:

Der ME PAD Notfall-Defi ist ein Laien-Defibrillator, der an nahezu jedem Ort schnell eingesetzt werden kann (2,4 kg / 26 x 25,6 x 7 cm / ab ca. € 1.200). Dem Anwender werden alle notwendigen Hilfsmaßnahmen über klar verständliche Sprachanweisungen erklärt.

  • Steuereinrichtungen: Ein/Aus-Taste, i-Taste, Schocktaste, Auswahlschalter Erwachsener/Kind
  • Status LCD: zeigt Gerätestatus, Ladezustand Batterie, Elektrodenstatus
  • Lautsprecher: automatische Anpassung der Lautstärke an die Umgebungsgeräusche
  • Bis zu 5 Einsätze zu je 3 Stunden Dauer werden auf der internen SD-Speicherkarte aufgezeichnet. So stehen jederzeit alle wichtigen Daten wie Herzrhythmus, Energieabgabe, Zeit etc. für die Nachanalyse zur Verfügung.
  • Zusätzlich zur automatischen Leistungsumschaltung beim Anschluss von Kinderelektroden verfügt der ME PAD über eine manuelle Schaltung zur Absenkung der Leistung. So können im Notfall auch Kinder behandelt werden, selbst wenn keine Kinderelektroden zur Verfügung stehen.
  • In täglichem, wöchentlichem und monatlichem Zyklus wird ein Testprogramm ausgeführt. Dabei werden alle Funktionen, die Leistung der Batterie und die Haltbarkeit der Elektroden-Pads automatisch geprüft und im Falle eines Fehlers wird ein Alarm ausgegeben.
  • Die Software des ME PAD ist nach den aktuellen Leitlinien des ERC programmiert und führt den Anwender sicher durch die gesamte Reanimation.
  • Die Lithium-Ionen-Batterie garantiert eine Stand-by-Zeit von bis zu 5 Jahren bzw. bis zu 200 Schocks bei voller Leistung.

Zum Teil 2 der Serie Notfall Alpin: Atmung und Kreislauf

Zum Teil 4 der Serie Notfall Alpin: Erste Hilfe nach Lawine

Erschienen in der
Ausgabe #101 (Winter 17-18)