Realistischere Bewertung: Überarbeitung der SAC-Wanderskala
Der Schweizer Alpen-Club (SAC) hat die SAC-Wanderskala, auch bekannt als SAC-Berg- und Alpinwanderskala, überarbeitet, um die Sicherheit beim Berg- und Alpinwandern weiter zu verbessern. Laut einer Studie des bfu verlieren jedes Jahr rund 50 Menschen in der Schweiz bei Wander- oder Bergwanderunfällen ihr Leben. Viele dieser Tragödien könnten mit einer gründlichen Vorbereitung unter Berücksichtigung der SAC-Wanderskala vermieden werden.
Warum und was wurde geändert?
Die SAC-Wanderskala wurde ursprünglich im Jahr 2002 eingeführt und teilt die Bergwanderungen in sechs verschiedene Schwierigkeitsgrade ein, von T1 (leichteste Stufe) bis T6, wobei „T“ für „Trekking“ steht. Um die Skala verständlicher und lesbarer zu machen und um eine bessere Abbildung der Realität im Gelände zu erreichen, wurde sie nun einer Überarbeitung unterzogen. Dabei wurden keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen, die rechtlich relevant wären.
Die wesentlichen Anpassungen
- Die Formulierungen wurden angepasst, um die Verständlichkeit und Lesbarkeit zu erhöhen.
- Die Wanderweg-Kategorien (gelb, rot, blau) sind nicht mehr scharf abgegrenzt einzelnen T-Graden zugeordnet, sondern fliessen ineinander über, was die Realität im Gelände besser abbildet. Um dies zu betonen, ist dieser Bereich neu grafisch und farblich hervorgehoben.
- Die Kurzbeschreibungen zu den T-Graden (Wandern, Bergwandern, anspruchsvolles Bergwandern, etc.) wurden entfernt, da solche zusätzlichen Begriffe auch in anderen SAC-Schwierigkeitsskalen nicht existieren.
- Die Angaben zur erforderlichen Ausrüstung wurden entfernt.
- Die bisherigen Beispieltouren wurden durch neue, zeitgemässe Beispiele ersetzt.
So ist die Wanderskala zu verstehen
- Abstufungen: Mit den Zeichen – und + kann die Bewertung einer Route zusätzlich abgestuft werden (z.B. T3, T3+, T4–, T4).
- Vergleich mit offiziellen Wanderwegen: Meistens bewegen sich die gelb markierten Wanderwege im Bereich T1/T2, die weiss-rot-weiss markierten Bergwanderwege im Bereich T2/T3 und die weiss- blau-weiss markierten Alpinwanderwege im Bereich T4/T5. In der Praxis findet man allerdings oft Abweichungen nach unten und nach oben.
- Verhältnisse: Routen werden unter der Annahme günstiger Verhältnisse bewertet, also bei guter Witterung und Sicht, trockenem Gelände, normalem Wasserstand bei Bächen, schneefreiem Zustand etc.
- Beispieltouren: Falls keine spezifische Route angegeben wird, ist jeweils die Normalroute (leichteste Route) gemeint.
- Schuhwerk: Je höher die Schwierigkeit, je schlechter die Wegqualität und je rauer und instabiler das Gelände, desto eher empfehlen sich stabile Bergschuhe mit hohem Schaft und torsionsfester Sohle.
- Alpintechnische Hilfsmittel: Grundsätzlich bezieht sich diese Skala auf Routen, die üblicherweise ohne Seilsicherung begangen werden und auf denen eine Seilsicherung nicht möglich/praktikabel ist. In den oberen Schwierigkeitsgraden sollte man dennoch die Mitnahme eines Seilstücks inklusive nötigem Zubehör in Erwägung ziehen (Einrichtung eines Seilgeländers oder Sicherung bei Einzelstellen, grösserer Handlungsspielraum bei Versteigern, Rückzug oder Notfall) – sofern man die entsprechenden Sicherungstechniken beherrscht. Je nach Geländeart (steiles Gras, harte Schneefelder) können ein (Leicht-)Pickel oder Steigeisen von grossem Nutzen sein und wesentlich zur Sicherheit beitragen. Im steinschlägigen Gelände empfiehlt sich auch das Tragen eines Helms.
- Gletscherpassagen: Unter Gletscherpassagen versteht die Skala solche, die im Sommer bei normalen Verhältnissen so weit ausapern, dass sich allfällige Spalten sicher erkennen und ohne Gefahr umgehen lassen (was auf verschiedene hochalpine Hüttenwege zutrifft). Unter diesen Voraussetzungen erübrigt sich eine Hochtourenausrüstung. Bei ungünstigen Verhältnissen können Anseilmaterial, Steigeisen und/oder Pickel hingegen durchaus angezeigt oder gar zwingend sein.
- Abgrenzung zu Hochtouren und Felsklettern: Ein wesentlicher Unterschied zwischen anspruchsvollen Alpinwanderungen, einfachen Hochtouren und leichten Felsklet- tereien liegt darin, dass auf einer T5/ T6-Route selten bis nie mit Seil gesichert werden kann, weshalb das Gelände absolut beherrscht werden muss – was hohes technisches Können und mentale Stärke erfordert. Beispiele dafür sind sehr steile Grashänge, wegloses Schrofengelände mit schlechtem Fels oder sehr exponierte Gratpassagen. Deshalb ist Alpinwandern im oberen Schwierigkeitsbereich (T5/T6) in der Regel bedeutend anspruchsvoller als eine einfache Hochtour mit der Bewertung L (= leicht) oder eine gesicherte Klettertour im II. Grad. Aufgrund der unterschiedlichen Merkmale von Alpinwanderungen und Hochtouren lässt sich ein direkter Vergleich der Bewertungsskalen kaum anstellen, doch grundsätzlich kann eine T6-Route vergleichbare Anforderungen stellen wie manche Hochtour im Bereich WS (= wenig schwierig), in vereinzelten Fällen sogar bis ZS– (= ziemlich schwierig).
Rechtsgrundlage bei Bergunfällen
Die Risikoaktivitäten-Verordnung (RiskV) des Bundesamtes für Sport BASPO verweist auf die Wanderskala. Es ist wichtig zu beachten, dass die SAC-Wanderskala somit als Rechtsgrundlage dient, insbesondere bei Untersuchungen und Expertisen zu Bergunfällen. Da eine Revision der RiskV voraussichtlich erst zwischen 2024 und 2025 erfolgen wird, sind bis dahin sowohl die alte als auch die überarbeitete Wanderskala auf der SAC-Webseite verfügbar. Die PDF-Dokumente sind datiert, um klar anzuzeigen, welche die alte und welche die überarbeitete Skala ist. Die bisherige SAC-Wanderskala behält bis zur Einführung der überarbeiteten RiskV weiterhin ihre Gültigkeit.
Mehr zum Thema folgt in der nächsten Ausgabe #124
Quelle: Schweizer Alpen-Club SAC, Rolf Sägesser, Flachleiter Ausbildung Sommer