bergundsteigen #128 cover
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Skitour ohne Sicht am Magerstein. Foto: Christoph Schwer
20. Dez 2023 - 3 min Lesezeit

Verhauer: Skitour ohne Sicht – GPS macht’s möglich?

Beim Bergsteigen passieren ständig Fehler, die beinahe zu Unfällen führen. Niemand spricht gerne darüber – wir schon. Diesmal: Über eine Skitour ohne Sicht und Akku.

Ende März fahren wir mit Freunden für ein langes Wochenende auf die Kasseler Hütte in der Rieserfernergruppe. Im Hüttenzustieg kämpfen wir uns, stellenweise Ski tragend, durch magere Schneereste. Abends fängt es an zu schneien, so dass wir die nächsten beiden Tage tolle Touren machen. Es schneit jede Nacht weiter. Irgendwann schneit es sogar waagrecht, wie der Blick aus dem Fenster bestätigt. Die ganze Nacht. Aber nächsten Morgen begrüßen uns fast ein halber Meter Neuschnee, starker Wind, Null Sicht und Lawinenwarnstufe 3. Bis mittags vertreiben wir uns die Zeit mit Lesen, Spielen und Schlafen. Dann beschließen wir doch eine kurze „Bewegungseinheit“ Richtung Magerstein zu machen, auf dessen Gipfel wir am Vortag waren. Die Route ist unter 30°, wir kennen das Gelände und haben einen GPS-Track.

Skitour ohne Sicht am Magerstein. Foto: Christoph Schwer
Der Blick von der Hütte. Foto: Christoph Schwer
Track der Route

Bildschirm schwarz, Akku leer

Nach einer halben Stunde im Aufstieg haben alle eiskalte Hände und rote Nasen. Bei einem von uns gehen die Hybridfelle permanent von den Ski ab. Er fixiert sie mit Skikletts, was ich fotografieren will. Ich nehme mein Smartphone aus der Halterung am Rucksackträger und … zack! Bildschirm schwarz, Akku leer. Das wars dann mit GPS Track, denn ich bin die Einzige, die den Track am Handy hat. Ich sage aber nichts, es könnten mich bei dem Sturm eh nicht alle hören.

Kurz nach dem Aufbruch an der Hütte (links). Foto: Christoph Schwer

Wir gehen trotzdem weiter, ist ja so kalt. Irgendwo an einem undefinierbaren Punkt kurz über 3000m beschließen wir abzufellen, die Sicht wird immer schlechter. Unsere Aufstiegsspur ist kaum noch auszumachen. Bei der Abfahrt wird uns übel, weil wir nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Stürze bleiben nicht aus. Mir fällt ein, dass zwar die Aufstiegsroute immer unter 30° ist, dass man hier aber auch schnell in steileres Gelände kommt – das ich bei einem gespannten 3er nicht befahren möchte. Letztlich finden wir mit häufigem Stehenbleiben und Blick auf die Karte des anderen Handys (ohne Track, mit GPS-Standort) den Weg relativ gut entlang zurück. Trotzdem: Noch in der Abfahrt ärgere ich mich, warum wir eigentlich so weit gegangen sind … War es das wert?

Skitour ohne Sicht am Magerstein. Foto: Christoph Schwer
Im Sturm am Weg in Richtung Magerstein. Foto: Christoph Schwer

Nein. Vielleicht zumindest für folgende Learnings.

Learnings

  • Trage bei Kälte das Handy unbedingt am Körper – sonst kann es trotz anfangs vollem Akku in Sekundenschnelle leer sein.
  • GPS-fähige Geräte und GPX-Tracks sind eine sehr gute Hilfe, gerade bei schlechter Sicht. Auf sie verlassen solltest du dich nie (das zeigt auch dieser Artikel auas bergundsteigen #119).
  • Kommuniziere veränderte Rahmenbedingungen und Bedenken auch und gerade bei widrigen Verhältnissen mit deinen Tourenpartnern.
  • Halte nicht starr an Plänen fest, sondern drehe im Zweifel um – auch wenn du erst eine halbe Stunde unterwegs bist.
  • Skitouren bei schlechter Sicht machen nicht nur wenig (Abfahrts-)Spaß, sondern sind immer gefährlich, weil du unbewusst in gefährliches Gelände (Steilheit, Geländefallen) kommen kannst.

Erschienen in der
Ausgabe #124 (Herbst 23)

bergundsteigen #124 cover (Schwerpunkt: Inklusion)