Vom Umgang mit der Klimakrise als Kletterprofi
Alle Beteiligten von ACTS haben das Ziel, ihren CO2-Fußabdruck bis 2030 um die Hälfte zu verringern. Die Idee dahinter ist, die persönlichen Emissionen an die Empfehlung des Weltklimarates für die globalen Emissionen anzupassen. Diese müssen bis 2030 um mindestens die Hälfte sinken, um die Wahrscheinlichkeit einer Temperaturerhöhung um mehr als 1,5 Grad bis Ende des Jahrhunderts drastisch zu verringern. Nun durfte ich mit ihm über sein Engagement sprechen, was ihn dazu inspiriert hat, welche Veränderungen er in seinem Leben vorgenommen hat und welche Rolle Profisportlerinnen im Umgang mit der Klimakrise spielen können.
Interview mit Arnaud Petit
Arnaud, was hat dich dazu inspiriert, etwas in deinem Leben zu verändern? Erinnerst du dich an eine besondere Erfahrung?
Als wir vor einem Jahr während eines Vertriebsmeetings mit einer Firma, bei der ich Ambassador bin, über unsere Bemühungen sprachen unseren Planeten zu schützen, sagte jemand: „Genau genommen beträgt der gesamte Fußabdruck des Fliegens weniger als zwei Prozent, demnach müssen wir uns darüber nicht so viele Gedanken machen“. Ich war schockiert und wütend, denn es ist klar, dass dies eine globale Zahl ist und durch die Tatsache reduziert wird, dass nur 15 Prozent der Weltbevölkerung fliegt. Ich wusste, dass für alle Anwesenden – Kletter*innen, Alpinist*innen und Bergführer*innen – dieser Anteil viel höher ist, ungefähr ein Drittel oder die Hälfte unseres Fußabdruckes. Und als ich nach Hause kam, sagte ich mir, ich muss wirklich etwas tun und mich engagieren. Eigentlich war das der Beginn von ACTS.
Es führt zwangsläufig zur Beunruhigung, wenn man sich mit der Schuldfrage in Verbindung mit Reisen auseinandersetzt und zugibt, dass wir Teil einer privilegierten Gesellschaftsschicht sind, die es sich leisten kann, nach Belieben zu Reisen, obwohl dies eine große Rolle bei der Zerstörung der Ökosysteme spielt, die wir lieben und erhalten wollen – und sich in Zukunft Ungleichheiten auch noch verstärken werden.
Was hast du in deinem Alltag verändert?
Es gab vier Bereiche, in denen ich etwas verändern konnte. Erstens: Die Anzahl meiner Flüge reduzieren. Als Bergführer bin ich früher jedes Jahr nach Marokko und Jordanien gereist, und in manchen Jahren flog ich zusätzlich noch einmal. Jetzt habe ich mir vorgenommen, im privaten Bereich und als Bergführer nur noch selten zu fliegen, es soll eine Ausnahme sein und nicht die Regel.
Zweitens: Die Bank wechseln. Wie die meisten bin ich bei derselben Bank geblieben, bei der auch meine Eltern waren. Diese war allerdings eine der schlechtesten hinsichtlich des CO2-Fußabdrucks.
Drittens: Meine Emissionen kompensieren, die durch das Reisen entstehen. Ich habe lange gedacht, dass dies nicht sinnvoll ist, da die Bäume den aufgenommenen Kohlenstoff auch irgendwann wieder freilassen. Aber ich habe gelernt, dass es dringend notwendig ist, so schnell und so viel Kohlenstoff wie möglich zu binden. Und viertens: Akzeptieren, dass ich vielleicht nicht die perfekte Ausrüstung habe, um etwas Bestimmtes zu tun, aber dass ich mir deshalb keine neuen Sachen kaufen muss.
Was hat sich bei der Umsetzung dieser Veränderungen im Alltag als schwierig erwiesen?
Es war gar nicht so schwierig, meine Reisen als Bergführer zu reduzieren. Ich habe sogar festgestellt, dass mein Engagement zur Verringerung meines Fußabdrucks ein Wendepunkt für die Mehrheit meiner Kund*innen war. Sie waren mit denselben Problemen konfrontiert wie ich: Sie fühlten sich schuldig, da sie die Natur lieben und gleichzeitig wissen, dass sie durch ausgiebige Reisen dazu beitragen, sie zu zerstören. Sie haben sofort akzeptiert stattdessen in Frankreich zu klettern, wo wir auch viele Möglichkeiten haben, an die wir allerdings oft gar nicht denken. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Erlebnis eines Biwaks auch in nächster Nähe außergewöhnlich ist und man aus dem Alltag ausbrechen kann.
Es war gar nicht so schwierig, meine Reisen als Bergführer zu reduzieren.
Arnaud Petit
Die Kompensation meiner Emissionen war einfach, ich habe mich für die Mitgliedschaft bei „Mossy Earth“ entschieden, einem Unternehmen, das Wiederaufforstung als CO2–Kompensation betreibt und viele weitere Klimaprojekte umsetzt.
Ich habe mich zudem viel mit der Idee beschäftigt, bewusst nicht die beste Ausrüstung zu verwenden, um Fotos zu machen oder Sport zu treiben. Ich war noch nie ein zwanghafter Konsument, aber wenn ich mich für etwas begeisterte, dann war ich auch von einer besseren Ausrüstung sehr angetan. Jetzt frage ich mich immer: „Brauche ich das wirklich? Und wenn ja, muss ich das neueste Modell haben oder ist jenes, dass ich aus zweiter Hand finden kann und welches 20 Prozent weniger gut ist, trotzdem gut genug?“ Alle Entscheidungen der letzten Zeit, bei denen ich scheinbar Kompromisse eingegangen bin, haben mich zu 100 Prozent glücklich gemacht.
Eine bessere Bank zu finden, war viel schwieriger. Ich denke, jedes Land hat Lösungen, aber man muss danach suchen. Jetzt bin ich froh zu wissen, dass mein Geld dreimal weniger negative Auswirkungen hat wie zuvor.
Kannst du unseren Leser*innen erklären, welche Wahl die Bank auf das Klima hat?
Wenn man nicht die richtigen Banken wählt, finanzieren sie mit unserem Geld beispielsweise fossile Brennstoffe, Bauwerke oder die Autoindustrie und all das führt zu Treibhausgasemissionen. Einige Studien zeigen, dass 10 000 € einen Fußabdruck von zwei bis sechs Tonnen Kohlenstoff (je nach Bank) pro Jahr haben. Das ist enorm.
Früher haben wir gesagt „Weniger arbeiten, mehr klettern“, dabei können wir stattdessen sagen „Weniger arbeiten, mehr schützen“!
Arnaud Petit
Welche Veränderung hat für dich gut funktioniert und was könntest du Menschen empfehlen, die sich gerade neu mit diesem Thema befassen und etwas verändern möchten?
Ich würde sagen, man sollte sich nicht von den enorm vielen und verschieden Dingen einschüchtern lassen, die man besser machen könnte. Man muss irgendwo anfangen und handeln. Für einige heißt das, zu Hause weniger zu heizen oder weniger Fleisch zu essen, für andere bedeutet es, secondhand zu kaufen oder lokaler zu klettern. Ich denke, es ist wichtig, diese Bemühungen und die damit verbundenen Entscheidungen für sich selbst zu treffen und nicht verbittert zu sein, wenn andere nicht die gleichen Entscheidungen treffen.
Denkst du, dass die Art und Weise wie Outdoor-Athlet*innen an dieses Thema herangehen und ihre Sportart leben, die breite Masse an Sportler*innen beeinflusst?
Die Art und Weise, wie die Outdoor-Athlet*innen leben, hat eine große Auswirkungen auf die Art und Weise, wie begeisterte Sportler*innen, die deren Weg mitverfolgen, ihren eigenen Sport ausüben und sogar ihr Leben führen. Mir ging das so, als ich die ersten Filme von Patrick Edlinger sah, die ein einfaches Leben zeigen: In der Natur leben, jeden Tag klettern und in einem Bus schlafen. Auch ich habe später selbst erlebt, dass einige Leute ihr Leben radikal veränderten, nachdem wir einige Zeit zusammen verbracht hatten. Ich war für sie aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht wirklich verstehe, ein Vorbild. Aber sie haben wahrscheinlich gesehen, dass es möglich ist, ein unkonventionelles Leben zu führen, in dem weniger Geld und mehr Zeit für das, was man mag, einen wirklich erfüllt.
Wie kamst du auf die Idee, die Organisation ACTS zu gründen und wie siehst du die Rolle von ACTS in der Zukunft?
Ich habe in den sozialen Medien gesehen, dass wir mehrere Kletter*innen waren, die sich Sorgen um die Umweltveränderungen gemacht haben. Aber es war immer noch ein Tabuthema, jeder lebte mit seinen Bemühungen, seinen Widersprüchen und seiner Schuld. Wir haben dann im Rahmen von ACTS gemeinsam an Handlungsmaximen gearbeitet und sind Verpflichtungen eingegangen, um aus dieser sterilen Schuld herauszukommen. „Wir sind nicht perfekt, aber wir wollen uns verbessern“, kam dabei heraus. Diese Selbstverpflichtung von Sportler*innen hat Vorbildcharakter und motiviert viele andere Menschen. Auch sie haben das Bedürfnis, Ideen und Lösungen auszutauschen. Das ist sehr motivierend, denn um Lösungen zu finden für ein Problem, welches global und komplex ist und über den Flugverkehr hinaus geht, muss man neue Bereiche erforschen.
In der nächsten Zeit wollen wir Projekte unterstützen, bei denen die Herangehensweise und die Umweltverträglichkeit ein Teil des Abenteuers sind. Es läuft vielleicht auf weniger Klettern hinaus, aber nicht unbedingt auf weniger Abenteuer und Spaß. Ich bin überzeugt, dass Bildung durch Fantasie entsteht. Geschichten und Filme lassen die jüngere Generation träumen und inspirieren sie dazu, Schönes zu machen und sich selbst zu übertreffen.
Wir würden auch gerne einige nützliche Informationen für Kletter*innen zusammenstellen für bekannte Klettergebiete, beispielsweise mit Infos dazu, wie man den Ort mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht und wo man lokale Lebensmittel kaufen kann. Es gibt viel zu tun, um der Klettercommunity zu helfen, etwas zu verändern.
Und wir möchten den Zugang zur Natur für Menschen erleichtern, die nicht das Geld, die Kultur oder die Idee haben, nach draußen zu gehen. Ich glaube wirklich, dass man nur den Wunsch hat, die Natur zu bewahren, wenn man sie erlebt hat.
Danke Arnaud für deine Zeit und deine Worte!
Quellen:
IPCC (2018) Summary for Policymakers. In: Global warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty. World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, 32 pp.